Kurzgeschichte NR. 1

Elena

Lotte Spiegel

Sie hob ihre Arme in die Höhe und streckte ihre Finger zur Decke. Ihr Fuß glitt über den hölzernen Boden und sie streckte ihre Knie durch. Ihr Kopf neigte sich zur Seite und ihr rechter Arm zeichnete einen Kreis in die Luft. Die Bewegungen waren routiniert, denn dies war ihr Tanz. Zu ihrem Lied. Allein. Grazil bewegte sie ihren Körper durch den leeren Raum, die Drehungen wurden immer schneller und schneller und endeten in einem eleganten Sprung. Schwindelig wurde ihr nie, denn ihre Gedanken waren nicht in diesem Raum. Sie waren weit fort. Bei ihr. Bei Elena. Dort waren sie schon lange, vielleicht seit 9 Monaten. Doch was konnte sie dagegen machen? Sie war hoffnungslos verloren, und niemand konnte etwas dagegen tun, nur sie allein konnte es. Aber wollte sie das? Wollte sie das wirklich? Elena einfach vergessen? Nein, niemals würde sie das tun. Elena wollte sie nicht vergessen, denn das würde ihr das Herz brechen. Schon seitdem sie sie zum ersten Mal gesehen hatte, war ihr klar gewesen: Elena gab es nirgendwo anders auf der Welt und das war auch gut so. Eine Umdrehung. Ein Schritt, dann ein kurzes Zögern. Und das war ihr Fehler. Sie geriet ins Wanken. Aber nein, Elena würde nie mit ihr reden. Sie war unbedeutend in Elenas Leben, eine kurze Frequenz, ein Wimpernschlag. Sie fiel auf ihre Knie und umklammerte den Teppich, nur um sich irgendwo festhalten zu können. Doch allein der Teppich würde sie nicht vor dem klaffenden Abgrund in ihrem Herzen retten. Den Abgrund, den Elena, als sie sie geschlagen hatte, unbewusst dort hinterlassen hatte. Der Abgrund, der zurückblieb, als Elena sie anschrie, wie sie so etwas nur sagen konnte und aus der Tür stürmte. Dabei waren es doch nur drei Worte gewesen, drei einfache Worte, die alles veränderten und vor denen Elena weggelaufen war:

Ich liebe dich.

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